* Wallfahrts-Pfarrkirche *
St. Valentin in Kiedrich



* In eigener Sache *

Seit 1988 war ich drei Mal in einer Reha-Klinik in Bad Schwalbach.
So lernte ich dort als Kranker gleich die Wallfahrtskirche St. Valentin
(Patron der "fallend Kranken") kennen.
Die Faszination Kiedricher-Chorbuben, welche nach ganz alten Überlieferungen den Gottesdienst singen/feiern, hatte mich nie mehr losgelassen!
Immer wenn ich in Bad Schwalbach war, habe ich das Auto mit Patienten beladen, um auch ihnen Kiedrich näher zu bringen.
So auch Ende Oktober 2002, wo ich für 5 Wochen wieder in Kur war.
Dort ist mir der Gedanke gekommen, Kiedrich eine Seite auf meiner Homepage zu widmen.
Das soll zum Einen vielen Menschen diesen Ort des Friedens näher zu bringen und zum Anderen mein Dank sein, dass ich dort immer in meiner Seele eine Art Heilung empfunden habe, was die Kurklinik nicht vermochte.

Nach einem Hochamt bin ich wegen meinen Mitfahrern wie immer zur Kirchenführung geblieben.
Der ältere Herr, der sein unerschöpfliches, historisches Wissen weitergab, hatte mir nicht nur gestattet eigene Bilder zu machen, sondern er hatte auch nichts dagegen, dass ich diese für meine Homepage verwende.
Um das auch textlich gut zu gestalten, wurde mir von einer sehr netten Dame das Büchlein "Kiedrich im Rheingau" gegeben.
Im Zuge das Gespräches hat sich herausgestellt, dass sie in meiner Heimatstadt Freiburg im St. Ursula-Gymnasium zur Schule ging.
So klein ist die Welt.

So möchte ich mich an dieser Stelle bei diesen lieben Menschen herzlich dafür bedanken, dass sie mir diese Seite genehmigt haben.

Dem Herrn Chorregent Rainer Hilkenbach möchte ich auch für die Bilder des Chores danken.



* Lage *

Westlich von Wiesbaden er streckt sich zwischen dem Rhein und den bewaldeten Hängen des Taunus der wegen seiner edlen Weine viel gerühmte Rheingau.
Kiedrich gehört zu den Orten dieser Landschaft, wo sich Weinbau, Frömmigkeit der Menschen und Heiterkeit der Künste harmonisch ergänzen.
Das Herz dieser Siedlung bildet ein heiliger Bezirk, der mit Mauern umgeben ist.
Wir finden dort die Pfarrkirche St. Valentin, die Totenkapelle St. Michael, das Pfarrhaus, die ehemalige Schule und das Chorregentenhaus mit dem Chorstift.

Ansicht
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Das Westportal

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* GESCHICHTE *

Eine im 12.Jahrhundert nachträglich ausgestellte und auf das Jahr 1069 datierte Urkunde bezeugt, dass der von 937 bis 954 regierende Mainzer Erzbischof Friedrich dem Mainzer Stift Sankt Peter die seiner Jurisdiktion unterstehende Kirche zu Eltville mit dem Zehnten von fünf Filialorten geschenkt hat, nämlich den Dörflein Walluf, Steinheim, Kiedrich, Erbach und Hattenheim.
Kiedrich - damals noch "Ketercho" genannt - hat also um die Mitte des 10. Jahrhunderts bereits bestanden.
- Durch den Bau der erzbischöflichen Burg Scharfenstein im 12. Jahrhundert ist Kiedrich stark angewachsen.
Die Bürger genossen dem städtischen Recht verwandte Freiheiten.
So gab es in Kiedrich, wie im ganzen Rheingau, keine Leibeigenschaft.
Seit dem 13. Jahrhundert finden wir bürgerliche Selbstverwaltung.
Nur der Mainzer Erzbischof wurde als Landesherr anerkannt.
Edle und Bürger im Ort bildeten eine gemeinsame Körperschaft, die Haingericht genannt wurde, an deren Spitze ein von Schöffen gewählter Schultheis stand
(seit 1244).


* VALENTINUSWALLFAHRT *

Quellen des 17. Jahrhunderts erwähnen, dass ein kluger Abt vom in der Nähe gelegenen Kloster Eberbach das Kopfreliquiar des hl. Valentinus nach Kiedrich übertragen habe, damit die Pilgerzüge den klösterlichen Frieden nicht störten.
Ein genaues Datum dieser Übertragung lässt sich nicht finden, aber der Zeitpunkt dürfte nach der Erhebung Kiedrichs zur Pfarrei (1277) um 1300 liegen.
Mitte des 15. Jahrhunderts existierte eine Bruderschaft zur Bestattung verstorbener Pilger.
1417 wurde ein eigenes Pilgerhospital errichtet, an dessen Stelle 1585 das heutige Rathaus erbaut wurde.
1454 schenkte der ehemalige Benefiziat an der Kiedricher Pfarrkirche und spätere Bischof von Breslau, Rudolf von Rüdesheim, einen Teil der in Worms aufbewahrten Valentinusreliquie nach Kiedrich.
So bedingte die erstarkte Wallfahrt einen neuen Kirchenbau.


* PFARRKIRCHE ST. VALENTIN *
* Baugeschichte *

Eine vorgotische Kirche ist urkundlich gesichert und durch den Heizungsbau von 1962 in ihren Maßen bekannt:
Sie war dreischiffig und deckte sich mit dem jetzigen Grundriss zwischen Turm und Triumphbogen.
An das Mittelschiff schloss sich in gleicher Breite ein Chorquadrat mit halbrunder Apsis an.
Ihr Titelheiliger, St. Dionysius, Patron der Frankenkönige, lässt auf eine recht frühe Gründung schliessen.

Der erste gotische Bau - eine dreischiffige niedrige Hallenkirche - benutzte die Fundamente des Vorgängerbaus und führte lediglich die Seitenschiffe am Turm vorbei;
auch der 5/8-Schluss des Chores saß auf der alten Apsis.
Der Baubeginn ist wohl mit der Stiftung des Marienaltars vor 1333 gegeben, die Vollendung mit den Altarstiftungen von 1380 und 1382 am Ostende der Seitenschiffe.
Auch der Turm war um diese Zeit mit allen vier Geschossen fertig und nahm 1389 die "Gemeindeglocke" auf.
Fenstermaßwerk und Bauplastik weisen starke Verwandtschaft mit Kapitelsaal und östlichem Kreuzgangflügel im Kloster Eberbach auf, beide vollendet um 1345.

Der Neubau des Chores:
Im dritten Viertel des 15. Jahrhunderts, bedingt durch die Schenkung der Valentinusreliquie 1454, errichtete man einen wesentlich breiteren und höheren Chor, der mit einer Apsis aus 5 Seiten eines Achtecks (5/8-Schluss) schliesst.
Als Baumeister ist Meister Wilhelm überliefert, der vor der Einwölbung, also vor 1476, bereits gestorben ist.
Mit ihm war zwischen 1460 und 1470 Hans Flücke von Ingelheim am Bau beschäftigt.

Chorgewölbe und neues Langhaus 1481-1493:
Durch den Tod Meister Wilhelms kam es zu Planänderungen.
Meister Wilhelm hatte wesentlich steilere Gewölbe vorgesehen, deren Anfänge über den jetzigen Gewölben erhalten sind.
Einige Jahre ruhte die Bautätigkeit, weil man Hans Flücke nicht an Kiedrich binden konnte.
Um 1480 ist ein Meister tätig, dessen Steinmetzzeichen ein umgekehrtes Y ist und der das Chorgewölbe als Sterngewölbe gestaltete.
Er nahm sich eindeutig die Risse der Gewölbe der Meisenheimer Schlosskirche zum Vorbild.
Im Mittelschiff brach er das alte Gewölbe ab und erhöhte es um das Doppelte.
Außerdem legte er über den Seitenschiffen nach dem Vorbild rheinischer Emporenhallen, wie in Diez, Dausenau und Montabaur sowie St. Goar Emporen an.
Drei Wappen mit Jahreszahlen grenzen die Bauzeit ein:
1481 im Chorgewölbe - 1490 am Mittelschiffgewölbe vor der Orgel - 1493 am Gewölbe der Nordempore.

Die Gesamtrenovierung der Kirche 1857-1878 erfolgte auf Anregung und unter der Leitung des englischen Mäzens Baronet John SUTTON (1820-1873).
Er war wie viele seiner Landsleute von der Landschaft des Rheines begeistert.
Als er 1857 nach Kiedrich kam, fand er so großen Gefallen an dem Ort, dass er sich dort einen Wohnsitz schuf.
Getragen von der englischen Romantik und einhergehender Begeisterung für die Gotik, war ihm kein Opfer zu groß, Kiedrichs Kirche so wiederherzustellen, wie sie seiner Meinung nach zu ihrer Erbauungszeit gewesen sein musste.
Er begann mit der Wiederherstellung der spätgotischen Orgel durch Louis-Benoit Hooghuys aus Brügge/Belgien.
1866 beauftragte er Franz Joseph von Denzinger, einen Dachreiter über dem Chor aufzurichten.
Außerdem schuf er 1873/74 einen neuen Turmhelm mit den charakteristischen Ecktürmchen um die mittlere Turmspitze.
Franz August Martin aus Fürth im Odenwald übermalte um 1870 die Ranken der Gewölbe neu.
Außerdem ließ Sutton den nach 1682 abgebrochenen Lettner 1863/64 neu errichten, unter Verwendung alter Bruchstücke.

Johannesaltar
Ein Kunstwerk besonderer KlasseSehr beeindruckend

Der Hochaltar (1619)


* Der Außenbau *

Der quadratische Westturm mit einem kleinen Treppenturm an der Südseite ist so in das Langhaus als älterer Bauteil einbezogen, dass er das erste Joch des Mittelschiffes einnimmt.
Er besitzt fünf Geschosse.
Die Westseite des unteren Geschosses erhielt später ein reich geschmücktes Doppelportal, das in die Turmhalle führt.
Es wird von einer vorgeblendeten Baldachinarchitektur eingefasst.
Über zwei Säulchen mit zierlichen Kapitellen und reichen Fialaufbauten ruht ein Schweifbogen, dessen Rücken mit Krabben besetzt ist.
Die Bogenschenkel sind durch eine Kreuzblume bekrönt.
Die Portalfüllung besteht aus Mittelpfosten, Türsturz und Tympanonrelief.
Am Türpfeiler finden wir den heiligen Valentin.
Im Tympanonrelief sind die Verkündigung an Maria und die Krönung Mariens nebeneinander dargestellt.
Darüber thront Gott Vater, der von musizierenden Engeln umgeben ist.
Stilistisch gehört dieses Westportal zum unmittelbaren Einflussgebiet der Frankfurter Schule um Madern Gerthener.
Vor allem die enge Verwandtschaft dieses Portals mit dem Lettnerportal in Oppenheim belegt dies.
Wilhelm Pinder verglich dieses Relief mit dem Dreikönigsportal an der Taufkapelle der Frankfurter Liebfrauenkirche und vermutete einen engen Werkstattzusammenhang.
Um 1410 gehört der Rheingau ganz zum Einzugsgebiet der Frankfurter Schule.


* Der Chor *

Durch Strebepfeiler und Fenster wird dieser Bauteil der Kirche besonders aufwendig gegliedert.
Die Strebepfeiler der Südseite sind vom um die Pfeiler sich verkröpfenden Kaffsims aufwärts in reiches Stab- und Baldachinwerk aufgelöst.
Dazu kommen Figurennischen mit Wimpergen und Fialen, Blendstäbe und sich gegenseitig durchdringende Kielbögen.
Die drei- bzw. vierbahnigen Fenster werden in halber Höhe durch einen Steg unterteilt.
Das Maßwerk der Bogenfelder setzt sich aus Fischblasen und Bogenpässen zusammen.
Die Stäbe des kleinteiligen Gewändes erheben sich über Sockelchen und überschneiden sich jeweils im Bogenscheitel.
Stilistisch setzt der Chorbau die Errichtung der benachbarten St. Michaelskapelle voraus, die der ursprünglichen Pfarrkirche an Dekor überlegen war.
Deswegen steigerte man den Schmuck und die Formenvielfalt, um die Michaelskapelle wieder zu übertreffen.
Die Detailformen ähneln denen der Michaelskapelle.
Besonders am Außenbau macht sich bereits eine Tendenz der Auflösung der ursprünglich rein funktionalen Bauglieder wie der Strebepfeiler zu einem verspielten und malerischen Gesamteindruck hin bemerkbar.
Der Chor der Valentinskirche gehört einer Gruppe von Kirchen an, die alle auf Vorbilder Madern Gertheners in Oppenheim und Frankfurt zurückgehen.
Gerade die Maßwerkmuster variieren die des St. Leonhardschors in Frankfurt.
Das Motiv zweier verschlungener Fischblasen am mittleren Ostfenster findet sich am Rutenwerk der Nordvorhalle des Frankfurter Pfarrturms und an der Innenseite der Memorienpforte des Mainzer Domes.


* Das Langhaus *

Beim Umbau des Langhauses blieb die Hallenkirche des 14.Jahrhunderts im unteren Teil erhalten.
Das dreischiffige Langhaus verzahnt den Turm, so dass die Seitenschiffe jeweils ein viertes Joch besitzen.
Im Gegensatz zum Chor sind die Außenwände, kenntlich an der doppelgeschossigen Fensterreihe, höchst einfach gestaltet.
Strebepfeiler mit zweifachen Abtreppungen teilen die Wandfläche in vier Jochfelder.
Zwei spitzbogige Portale führen in das Kircheninnere.
Sie stammen ebenfalls von der Hallenkirche des 14. Jahrhunderts.
Im Tympanon des Südportals befindet sich eine provinzielle Kreuzigungsgruppe kurz vor 1400.
Die Fenster des Untergeschosses besitzen Maßwerk aus Bogenpässen mit dornigen Nasen, während die Fenster des Emporengeschosses zum Umbau von 1480 gehören und die charakteristischen Fischblasen aufweisen, die, sich überschneidend, unsymmetrische Formen bilden.
Was der Um- bzw. Erweiterungsbau des Langhauses und der Choreinwölbung bewirkte, kann am besten im Inneren beobachtet werden.


* Das Innere der Kirche *

Die Meisterschaft dieses Innenraumes erschließt sich beim Blick auf die Gewölbe.
Begonnen wurde vor 1480 mit dem Chorgewölbe, das 1481 vollendet war.
Es reicht tief in den Raum hinein und steigt über dem Chorhaupt fast kuppelförmig an.
Vielfältig sind die Überschneidungen mit den Dienstbündeln.
Das Gefüge der doppelt gekehlten Rippen interpretiert die Raumgestalt des Chores.
Über den fünf Achteckseiten des Chorschlusses konstruierte der Meister ein zentralisierendes Rippennetz.
Die Mittelfiguration besteht aus einem achteckigen Stern, den ein großer Schlussstein mit einem Erbärmdechristus schmückt.
Acht weitere Schlusssteine ordnen sich diesem Mittelpunkt im Dreiviertelkreis zu. Eine Gurtrippe, die im Gewölbescheitel unterbrochen wird, trennt das Apsisgewölbe vom Chorjochgewölbe.
Dort bilden mächtige Randrippen einen zwölfteiligen Stern.

Im Langhaus öffnen sich Seitenschiffe und Emporengeschoss mit spitzbogigen Arkaden zum Mittelschiff.
Die Emporenpfeiler stehen hinter einer reich dekorierten Maßwerkbrüstung.
Beide Geschosse der Seitenschiffe haben Kreuzrippengewölbe.
Im Untergeschoss enden sie auf Konsolen, die im südlichen Seitenschiff Laubarbeit aufweisen, im nördlichen dagegen Figurenschmuck.
Wir erkennen Wassermann, Meerjungfrau, Mönch mit Buch, hockenden Mönch, weibliche Halbfigur und den Evangelisten Johannes, der den Eingebungen des Engels zuhört, während eine Sibylle seinen Codex hält.
Die Schlusssteine zeigen zwei Evangelistensymbole (Stier für Lukas, Löwe für Markus), den Phönix und das Wappen der Grünen von Scharfenstein.
Im südlichen Seitenschiff sind das Symbol des Engels für Matthäus und des Adlers für Johannes zu sehen.
Im dritten Joch finden wir die Wappenschilde der Stockheim und Langwerth v. Simmern, im vierten Joch die vier Wappen des Gerhard v. Scharfenstein und seiner Ehefrau Anna v. Partenheim, darüber derer v. Stockheim und Hattstein.

Die Gewölbe des Mittelschiffs sind im Landshuter Sternmuster gestaltet:
Jedes Joch wird bei diesem Wölbsystem von einem sechsteiligen Rautenstern eingenommen.
Gurtrippen markieren die Jochgrenzen.
Im Gewölbeansatz laufen die Mittelrippen strahlenförmig zusammen, während die Diagonalrippen sich überschneiden und in Höhe der Emporenbrüstung auslaufen.
Der Triumphbogen gegen den Chor steigt fast bis zur Höhe der Mittelschiffsgewölbe auf.
Darunter steht der Lettner.
Die Schlusssteine in Chor und Mittelschiff zeigen neben Steinmetzzeichen und Jahreszahlen die Wappen der für den Bau Verantwortlichen:
der Gemeinde und ihres Schultheißen Philipp von Lindau sowie der Kirchenbau-Meister Johann Knebel von Katzenelnbogen, Heymann von Scharfenstein, Vitterhen und Herbord des Alten.
Der Meister der Einwölbung war vor eine schwierige Aufgabe gestellt.
Von bestehender Bausubstanz ging er aus und schuf dennoch - teils behutsam verändernd, teils willensstark konzipierend - Neues.
Er nutzte Anregungen der Gewölbe in der Schlosskirche zu Meisenheim am Glan, der Stiftskirche St. Goar und der Dorfkirche in Bechtolsheim.
Von Meisenheim ist die strenge Unterscheidung von Chorjochgewölbe und Chorschlussgewölbe übernommen.
Die Idee der Umgestaltung des Langhauses geht auf die Stiftskirche St. Goar zurück.
Während bei den Seitenschiffen das einfache Kreuzrippengewölbe aus Gründen der Einheitlichkeit der Geschossbildung beibehalten worden ist, wandte man im Mittelschiff das sechsteilige Schema aus Rautensternen an, das zum Formenschatz der bayerischen Schule in der Nachfolge Hans Stethaimers gehört und am Mittelrhein in Herrnsheim und in Bechtolsheim vorkommt.
Auch im benachbarten Rauenthai findet sich 1492 eine dem Kiedricher Mittelschiff verwandte Einwölbung (des Meisters mit dem umgekehrten Y).


* Die Ausstattung *

Die Retabelwand des Hochaltares aus Stuck mit Alabasterreliefs erhebt sich über einem noch aus der Erbauungszeit der Kirche stammenden Stipes (Unterbau) und wurde 1619 für Kaspar von Eltz als Epitaphaltar errichtet, d.h. er dient dessen Totengedächtnis.
Er ist im Rheingau mit der einzige erhaltene Vertreter einer einst am gesamten Mittelrhein weit verbreiteten Gruppe aufwendig gestalteter, ikonographisch durchdachter Großaltäre und -epitaphien und stammt von dem Mainzer Bildhauer Johann Friess aus dem Umkreis Hans Junckers in Aschaffenburg.
In drei untergliederten Geschossen mit Säulen und Nischenarchitektur erkennen wir zahlreiche Heiligenfiguren, dazwischen sitzen der Bestimmung als Epitaph entsprechend die Wappen:
oben auf den seitlichen Bekrönungen die von Eltz und Stein, um die Nische mit dem Titelheiligen Valentin acht und auf dem Hauptgesims weitere acht Ahnenwappen.
Im großen Mittelrelief ist die Anbetung der Hl. Drei Könige dargestellt.
Die beiden kleinen Reliefpaare stellen links die Mannalese und die Ausstellung der Schaubrote mit Melchisedek, rechts Esther vor Ahasver, um das Leben der Juden bittend, und das letzte Abendmahl Jesu dar.
Das oberste Relief zeigt die Kreuzabnahme.
Die vollplastischen Heiligenfiguren sind in der Mittelnische der Titelheilige der Kirche und des Altares St. Valentin, Patron der "fallend Kranken" mit einem Kranken zu Füßen, seitlich Johannes der Täufer und Nikolaus;
neben dem großen Relief die hll. Bonifatius und Elisabeth.
Der Stifter, Kaspar zu Eltz, liegt vor dem Altar begraben (+ 1612); als Beter ist er am Hochaltar oben auf der linken Seite in Ritterrüstung dargestellt, rechts auf gleicher Höhe sein Turnierhelm.

Auch der Katharinenaltar ist als Epitaphienaltar der Juliane von Schwalbach geb. von Eltz (1620) errichtet.
Hier tragen drei Engelkonsolen die Platte des Hauptgeschosses.
Im Mittelfeld befindet sich eine Kreuzigung, flankiert von den anbetenden Familienmitgliedern.
Im Aufsatz in Reliefs die Auferstehung und Gottvater, daneben stehen die Statuen der hll. Wolfgang, Anna selbdritt, sowie außen die Figuren der hll. Barbara und Katharina über den Allianzwappen Schwalbach-Hohenstein und Schwalbach-Eltz.
Auf der Konsole bekrönt eine Paulusfigur den aus Stuck und Alabaster errichteten Retabelaufbau, den beidseits zahlreiche Ahnenwappen zieren.

Der Johannesaltar im nördl. Seitenschiff entstand gegen Ende des 15.Jahrhunderts und erhielt von F. A. Martin 1862 neugemalte Flügel.
Außerdem wurden die Schnitzarbeiten ergänzt und das Gesprenge hinzugefügt.
Die üppige Schreinarchitektur mit Sterngewölben und Wimpergen zeigt auf einem Sockel mit Distelornament und Schweißtuch die hl. Anna, Maria und das Jesuskind.
Johannes der Evangelist und Johannes der Täufer stehen links und rechts.
Die Figuren im Gesprenge - wohl von Gesellenhand - stellen die Apostel Philippus und Jakobus sowie eine weibliche Heilige dar.
Der Altar (verschließbarer Mittelteil) wird dem sogenannten "Meister mit dem Brustlatz" zugeschrieben und stellt neben dem Lorcher Hochaltar den einzigen spätgotischen Schnitzaltar dar, der sich im Rheingau annähernd vollständig aus dem Mittelalter am ursprünglichen Aufstellungsort erhalten hat.

Vom Margarethenaltar auf der nördlichen Empore haben sich drei qualitätvolle Heiligenfiguren vom Ende des 15.Jahrhunderts erhalten, die in einen Schrein aus den 60er Jahren des 19.Jahrhunderts gestellt worden sind.
Im Mittelteil finden wir die hl. Margaretha, links den hl. Antonius Erem. und rechts den hl. Nikolaus von Myra.

Auf der Südempore befindet sich der Marienaltar, der um 1480 in Bayern entstanden ist und aus dem Kunsthandel Ende des 19.Jahrhunderts erworben wurde.
Im Schrein flankieren die Muttergottes die hll. Petrus und Paulus.
Die Predella zeigt drei Jungfrauenbüsten.
Auf den Flügelinnenseiten der Predella erscheinen in Halbrelief die hll. Laurentius und Stephanus;
auf die Außenseiten sind die Apostel Andreas, Johannes, Bartholomäus und Jakobus gemalt.
Die Flügel des Schreins zeigen innen in Relief die Verkündigung Gabriels an Maria, die Geburt Christi, die Heimsuchung und die Drei Könige;
auf den Außenseiten in Malerei die Gefangennahme Jesu, Dornenkrönung, Ölberg und die Verspottung Jesu.
Die Arbeit trägt bäuerlich derbe Züge.

Der Muttergottesaltar unter dem Lettner wurde 1967 neu aufgemauert.
Die dazugehörende thronende Muttergottesfigur - genannt "Kiedricher Madonna" - hat nun auf einer Steinstele hinter dem Altar (im Chorraum) ihren Platz.
Um 1860 wurde sie auf dem Kirchenspeicher gefunden und von Sutton in die Kirche zurückgebracht.





Das Kind im langen Gewand spielt mit einer Taube.
Der höfisch-zarte Liebreiz mit den überfeinerten Gesichtszügen lässt die Vermutung einer rheinisch-kölnischen Entstehung um 1330 zu, wobei eine starke Beeinflussung durch französische Plastik des frühen 14. Jahrhunderts nicht zu übersehen ist.







Das Sakramentshaus steht an der Nordwand des Chores und wurde 1869 nach aufgefundenen spätgotischen Bruchstücken durch Bildhauer Broichmann ergänzt.
Der hohe zierliche Turm mit reichster Formentfaltung ist aus dem Grundriss eines Sechsecks entwickelt.
Seit 1964 wird hier (hinter einem Kunstschmiede-Eisengitter) das Allerheiligste aufbewahrt.







Die Kanzel gehört noch zu den aus der Erbauungszeit vorhandenen Einrichtungsgegenständen.
Eine sechsseitige Säule weitet sich kelchförmig.
Darüber sitzt der sechsseitige Kanzelkorb.
An der obersten Treppenstufe findet sich die Jahreszahl 1493, das Datum der Entstehung, dazwischen das Meisterzeichen Y. Die Figuren der 4 Evangelisten stammen von 1901 (Hans Steinlein/Eltville).




Die Orgel nimmt fast die ganze obere Westwand des Mittelschiffs ein.
Um 1500 erbaut, wurde sie mehrfach von verschiedenen Orgelmachern aus Kiedrich repariert und 1710 durch den Koblenzer Orgelbauer Elias Salvianer im Aufbau erneuert.
Um 1760 zeigte die Orgel einen barockisierten Prospekt mit vorgebauter Sängerbühne.
Kurz nach 1850 war das Werk völlig unbrauchbar geworden und nicht mehr spielbar.
Dank Baronet Sutton setzte der Orgelbauer Louis-Benoit Hooghuys aus Brügge/Belgien zwischen 1859 und 1860 das Werk instand, wobei auch der ursprüngliche spätgotische Prospekt wieder entstand.

Die mächtigen Flügel wurden von F. A. Martin beidseits bemalt.
Die Orgel hat in den 3 Werken (Hauptwerk, Positiv und Pedal) ca. 950 Pfeifen, wovon rund 80% zum alten Bestand bei verschiedenen Pfeifensorten gerechnet werden.
Die alte Spielanlage mit "kurzer Oktav" in den beiden Manualen und einem kleinen Pedal ist ebenso erhalten wie die alten Eisen-Registerzüge des Hauptwerks.
Der Spieltisch befindet sich im rekonstruierten "Schwalbennest" mit insgesamt 21 Registern.
Die Orgel (Älteste Orgel Deutschlands genannt) gehört mit ihrem bestechenden Klang zu den eindrucksvollen erhaltenen spätgotischen Musikinstrumenten.
1985/87 führte die Firma Orgelbau Kuhn in Männedorf-Zürich eine gründliche Restaurierung durch.
Eine kleine Tragorgel um 1680 aus Flandern schenkte Sutton 1860 dem Kiedricher Pfarrer Peter Zimmermann.
Sie steht an der Südwand des Chorraumes und wird mit ihren 5 Registern als Chororgel gespielt.
Die heutige Bemalung geht zurück auf eine Wiederherstellung von 1933/34 durch den Maler Gassert, Bad Godesberg.


* Das Gestühl *

In Kiedrich steht im Langhaus ein Volks- bzw. Laiengestühl der Spätgotik.
Außer den vorderen und den rückwärtigen Brüstungsfeldern verzierte man die seitlichen Wangen mit Flachschnitzerei und mit farbig unterlegtem Blendmaßwerk, das ausgestochen und auf das Holz aufgeleimt wurde.
Die hier auch vorhandenen Adelssitze wurden als erhöhte und verschließbare Logen gestaltet und in das allgemeine Gestühl eingefügt.
Der Schöpfer des Gestühls hat sich auf der Rückwand der südlichen Bankreihe (Mittelschiff) verewigt:
"Dies Werk hat gemacht Erhart Falckener von Abensberg aus Bayern, da man zählt nach der Geburt Christi unseres lieben Herrn tausend fünfhundert und zehn Jahre" (Umschrift).

Besonders prächtig sind die Bildfelder zu Beginn der Bankreihen.
Das "Arma Christi"-Feld zeigt in Flachschnitzerei das Wort "jhesus", in das sämtliche Leidenswerkzeuge, die in den Passionsberichten der vier Evangelisten und in den zahlreichen Christuslegenden erwähnt sind, eingearbeitet sind.
Im Mittelpunkt stehen die Geißelsäule und die 30 Silberlinge.
Besonderheiten sind die "Spirale der Gerechtigkeit" mit Grotesken und das "AVE MARIA"-Feld.
Die Gerechtigkeitsspirale verwendet einen auf Prudentius zurückgehenden Text in einer mittelalterlichen Fassung.
Ein vergleichbarer Mariengruß existiert in der Buxheimer Karthause.
Dazu treten die Felder mit Weintrauben, Hopfen, Disteln und Solanaceenblüten.
Daneben finden wir zahlreiche weitere Pflanzen, die in der örtlichen Tradition heute als bildlicher Trost für die zu St. Valentin pilgernden Kranken angesehen werden.
Neben dem Gestühl in Kiedrich haben sich von Falckener noch dasjenige in Bechtolsheim, sowie Gestühlsreste in Weinheim erhalten.

Auch gibt es Flachschnitzereien aus der Werkstatt dieses Meisters an verschiedenen Kanzeln in Rheinhessen und an jener in Mittelheim (Rheingau) von 1511.
Im Chorraum steht vor dem Sakramentshaus ein hölzerner Dreisitz um 1530, dessen Wangen Ranken mit Blüten und Trauben zieren.
Auf dem Lesebrett sehen wir einen Pelikan und einen Jagdhund.
Das um 1500 entstandene Chorgestühl ist in den Baldachinen stark ergänzt.
Auf den Wangen lassen sich Tierdrolerien (als Sänger!) erkennen:
Mutterschwein, Perlhuhn, Drache, Bär, Hund, Greif, geflügelter Drache und Hund.
Die Miserikordien enden in Blattformen.
Die davorstehenden Bänke (für die Chorbuben) und das in der Mitte stehende Sängerpult stammen aus dem vorigen Jahrhundert.
Zahlreich sind Einzelbildwerke in der Kiedricher Kirche auf uns gekommen.
Einige Skulpturen wurden unter dem Mäzenatentum von Baronet Sutton aus dem Kunsthandel erworben.

Die Kreuzigungsgruppe im Triumphbogen (über dem Lettner) stammt aus verschiedenen Schulen:
Der Corpus gehört zur Backoffenwerkstatt, während die Großfiguren, Maria und Johannes - von Sutton erworben - deutlich in der Riemenschneider-Nachfolge stehen.
Die beiden Engel hat ebenfalls Sutton in Nürnberg gekauft.
Die Gruppe gehört insgesamt in die Zeit kurz nach 1500.

- Der Gnadenstuhl entstand im 14.Jahrhundert.
- Eine Pietà (Vesperbild) gehört zu den guten mittelrheinischen Werken des Weichen Stils um 1400.
- Ein sitzender Bischof dürfte in die 2. Hälfte des 14.Jahrhunderts zu datieren sein.
Die Neufassung erfolgte 1976.
- Eine Terrakottaarbeit ist die Madonna auf der Mondsichel, die ebenfalls mittelrheinischer Herkunft um 1450 ist und vermutlich aus Kloster Eberbach stammt.
- Eine Skulptur der stehenden Anna selbdritt (mit Maria und Jesusknaben auf ihren Armen) dürfte gegen 1500 entstanden sein.
Sie wird der Backoffenwerkstatt zugeschrieben.
- Der Pilger Jakobus d.Ä. ist in Anlehnung an die Wallfahrt nach Compostela um 1530 sitzend und schreibend dargestellt.


* Die Weinemblematik in der Kirche *

Bei der frommen Gesinnung der Bewohner Kiedrichs hat sich auch ihre Hauptbetätigung, der Weinanbau, an vielen Stellen - teils versteckt, teils offensichtlich - in der Kirche niedergeschlagen.
So finden wir Weinlaub als Dekor in der Rankenbemalung der Gewölbe, am Dreisitz im Chorraum und großartig in den Flachschnitzereien des Kirchengestühls sowie an der Krone der "Kiedricher Madonna" und den Türbeschlägen, besonders der Südsakristei.
Es ist ein reizvolles Spiel, die vielen Hinweise bei einem Rundgang zu sammeln.
In der Liturgie Kiedrichs im Jahreskreis wird immer wieder Bezug zum Wein genommen:
Bittprozessionen vor Christi Himmelfahrt und Wettersegen im Gottesdienst zwischen Christi Himmelfahrt und "Herbstschluss" erbitten von Gott eine gute Weinlese.
Am Fest des Apostels Johannes Ev. (27. Dezember) wird der neue Wein gesegnet und anschließend an alle Gottesdienstbesucher in kleinen Gläschen ausgegeben.
So bilden in Kiedrichs Kirche im Zeichen des Weines Liturgie, Kunst und Alltag eine Einheit.



* Chorbuben *
Wahlfahrtskirche
St. Valentin in Kiedrich

Nachweislich seit 1333 hatten in Kiedrich 6-7 Geistliche den feierlichen Chordienst zu leisten.
Auch die Lehrer waren zum Chordienst verpflichtet.
Erst die Verminderung der Zahl der Geistlichen führte später dazu, daß Männer aus der Gemeinde den Sängerdienst übernahmen.
Besonders der Gregorianische Choral in Mainzer Singweise, auch "Germanischer Choraldialekt" genannt, wurde in Kiedrich gepflegt.
Baronet Sutton hörte noch 1857 diesen Gesang und ließ sich dadurch zu einer Choralstiftung (1865) anregen.
Vor allem Choralausgaben der Kurfürsten Johann Philipp und Lothar Franz von Schönborn ließ er nachdrucken.
Für die Gesangspflege richtete er eine Choralschola aus Männern und Knaben ein.

Die Melodien des in Kiedrich gepflegten Mainzer Chorals werden nach Hufnagelnoten gesungen.
Die Unterschiede zur römischen Choralnotation lassen sich in der Erhöhung des Spitzentones um einen Halb- oder Ganzton, in der Erweiterung von Intervallen, etwa der Terz zur Quart, und in der Auflösung starrer, unbeweglicher Tonfolgen zu bewegten Melodien auf dem gleichen Vokal auch für den Nichtmusiker erkennen.
Heute singen die Knaben und Männer (alle aus Kiedrich) aus einem Neudruck von 1961, im Siebdruckverfahren hergestellt.
Er ist eine Reformausgabe nach der im Kiedricher Chorstift aufbewahrten Choralhandschrift (Kodex A, kurz nach 1300; mit zahlreichen Buchmalereien) aus dem Mainzer Dom.
Die Initialen zum Introitus des 1. Advent, des Weihnachtsfestes, des Osterfestes sowie des Martinustages sind mit Miniaturen geschmückt.
Eine weitere Choralhandschrift des 15. Jahrhunderts aus dem Dom zu Erfurt wird ebenfalls im Chorstiftsmuseum aufbewahrt.
Das Choralhochamt beginnt in der Pfarrkirche jeden Sonntag um 9.30 Uhr.

Die "klingende Gotik" der Kiedricher Kirche in der gesungenen Choralmelodie, dem Gotischen Choral, und dem Klang der alten Orgel wird ergänzt durch die 4 Glocken des Hauptturmes.
Dabei überraschen das Alter, die Schwere und der hohe musikalische Wert des Geläutes.
Die Große Glocke und die "Meßglocke" wurden 1513 in Frankfurt gegossen.
Die älteste Glocke ("Gemeindeglocke") datiert von 1389, während die "Mittagsglocke" zweimal umgegossen wurde (1666 und 1868).
Dieses volltönende Geläute erklingt in den Tönen c'-d'-e'-f'.

Unmittelbar nach dem Choralamt können Tonträger mit Aufnahmen vom Chor und von der Orgel, Postkarten von der Pfarrkirche Kiedrich und ihren Kunstschätzen, Faksimiledrucke aus dem Codex A (Choralbuch aus dem 14.Jhd.) und das Kyriale, ein Gesangbuch für das Choralamt, erworben werden.
Der Verkaufsstand ist vor dem Hauptportal.
Bei schlechtem Wetter findet der Verkauf in der Chorschule statt.
Teilnehmer der sich an das Choralamt anschließenden Kirchenführung können am Schluss des Vortrages die vorgenannten Artikel ebenso in der Kirche erwerben.

Wie eingangs bei meinen "Worten in eigener Sache" schon erwähnt, ist dieser Ort des Friedens mit seinem, denke ich, "einmaligen Chor" auf jede Art von Unterstützungen angewiesen.
Denn es wäre unvorstellbar, wenn diese alte Gesangstratition nicht mehr finanzierbar wäre!!
So bitte ich Sie sehr, mal auf die Homepage des Chores zu schauen.
Noch besser, Sie besuchen Sonntags mal ein Hochamt und Sie werden wie ich seit vielen Jahren diesen Ort immer wieder aufsuchen.





* Kontakte zum Chor*

Unter der Internetadresse www.kiedricher-chorbuben.de können alle Artikel online bestellt werden.
Auf dieser Webseite sind u.a. alles Gottesdienste aufgeführt, die die Kiedricher Chorbuben mitgestalten.
Neben den Übersetzungen der lat. Texte vom jeweiligen Sonn- oder Feiertag können Tondokumente der Glocken, Orgel under der Kiedricher Chorbuben heruntergeladen bzw. angehört werden.
Die aktuellen Pfarrnachrichten sind unter dem Begriff Kirche hier nachzulesen und können ausgedruckt werden.

Möchten Sie für Fragen oder Spendenwünsche Kontakt zu dem Chorregenten Rainer Hilkenbach aufnehmen, können Sie ihm HIER... eine Mail schicken!
Postadresse wäre:
Chorregent Rainer Hilkenbach
Suttonstr. 1
D-65399 Kiedrich
Tel: (06123) 28 10
Fax: (06123) 79 47 73


* ST. MICHAELSKAPELLE *

Die Kapelle wurde als Kapellenkarner am alten Totenhof errichtet.
Vermutlich hing die Erbauung (zwischen 1434 und 1444) mit der immer stärker wachsenden Valentinuswallfahrt zusammen;
denn an der Außenseite wurde eine Kanzel vorgesehen.
Vom Michaelsaltar im Turmobergeschoss der Pfarrkirche wurde schließlich der fertiggestellten Kapelle die Pfründe übertragen und gleichzeitig aufgebessert.
Die Urkunde ist am 2. Dezember 1444 in Bingen ausgefertigt worden.
Ausdrücklich ist der Standort des Altares in der neuen Kapelle, die über dem Beinhaus errichtet wurde, angegeben.
Damit können wir 1444 als Vollendung der Michaelskapelle annehmen.
Die Weihe ist ein Jahr später erfolgt.
Den Gottesdienst in der Kapelle bezahlten die Edlen und Bürger von Kiedrich im Rahmen des Kiedricher Haingerichtes.
Der Inhaber der Pfründe musste drei Frühmessen und drei Vigilien abhalten, sowie nach den Gottesdiensten im Beinhaus selbst den Psalm "Miserere" beten.
Über einem rechteckigen Grundriss wurde der zweigeschossige Baukörper errichtet.
Der westlichen Schmalseite ist ein Türmchen vorgelagert, an der Ostwand kragt ein Chörlein aus.
Am Außenbau beherrschen reiche Formen und klare Proportionen die Wände.
Die Strebepfeiler bleiben in der Sockelzone ungegliedert und sind im Obergeschoss in Figurennischen aufgelöst.
Die Baldachine besitzen Schweifbögen und kleine Fialen, die einander durchdringen.
Über den Baldachinen erhebt sich ein Dreikant, dessen mit Krabben besetzte Spitze die geschweifte Deckplatte überragt.
Die Nordwand besitzt eine Außenkanzel mit dem Wappen des Mainzer Erzbischofs Dietrich von Erbach.
Sie ist in eine Galerie zwischen zwei Strebepfeilern eingespannt, ihre Maßwerkbrüstung trägt ein Stichbogen.
Ein Gewölbedach schützt den Prediger.
Zur Zierde tragen zwei Engelsfiguren einen Rundbogen.
- An den Schmalseiten finden sich über Treppen die Zugänge zum Bau.

St. Michaelskapelle:
Altar-Chörlein (innen) 1444
Treten Sie bitte mit ein
St. Michaelskapelle:
Altar-Chörlein (außen) Ostseite

Besonders das Chörlein an der Ostwand ist ein filigran gestalteter, edler Bauteil.
Es ragt in der Form des 5/8-Schlusses aus der Wand und wird von einem zierlichen Sockel gestützt.
Er entwickelt sich über einer polygonalen Halbsäule.
An den Ecken des Chorpolygons steigen in Fialen endende, teils rechteckige, oben dreikantige Strebepfeiler auf.
Ein um die Pfeiler sich verkröpfendes Mittelgesims fasst den wie einen Erker gestalteten Chorbau zusammen.
Blendmaßwerk für die Wandfelder und Fischblasenmaßwerk für die Fenster sind weitere Ziermotive.
Außerdem endet jede Polygonseite in einem Wimperg.
Besonders zu beachten sind die Tier-Wasserspeier und die originellen Hunde, Affen und Fabeltiere auf dem Kaffgesims, die wohl zur Bewachung der Reliquien und zur Abwehr gedacht waren.
- An der Westseite steht das Türmchen mit durchbrochenem, steinernem Spitzhelm (erneuert 1974/75).

Während das "Gruftgewölbe" (im Karner) niedrig ist, wurde der eigentliche Kapellenraum dreimal so hoch aufgeführt.
Vom Raumtyp her kommen Assoziationen zur Sainte Chapelle in Paris auf, zumal freistehende gotische Doppelkapellen in Deutschland rar sind.
Außer der Burgkapelle in Meißen von 1274 und den Entwürfen für die Gruftkapelle des Bischofs Zapolya in Donnersmark in der Zips von dem Wiener Meister Hans Puchsbaum gibt es nur noch die Kiedricher Kapelle, wobei Puchsbaum möglicherweise von den heute verlorenen Baurissen für Kiedrich angeregt worden ist.
Der obere Raum besitzt Netzgewölbe und ist in drei Joche gegliedert.
Merkwürdig ist eine umlaufende Wandbank, die aus der Palastarchitektur kommt und bei Bauten verwendet wird, in denen regelmäßig Reliquien ausgestellt werden.

So hat die Kiedricher Michaelskapelle neben der Funktion einer Beinhauskapelle auch die einer Heiltums oder Reliquienkapelle.
Auch das aus der Wand heraustretende Chörlein kommt von der Palastarchitektur und verdankt seine Entstehung dem Brauch, Altarräume nicht profan zu überbauen.
In Verbindung mit einem Kirchenraum ist ein Chorerker in Kiedrich erstmals verwendet.
Die Öffnung der Ostwand zum Chörlein hin ist - ähnlich der Memorienpforte im Mainzer Dom - mit Kielbogen, Maßwerkvorhang und flankierenden Fialen gestaltet.
Wir kennen diese Chorbaldachine zuerst in der höfischen Kunst Frankreichs, wie die Kapelle des Palais Jacques Coer in Bourges zeigt.
Madern Gerthener, der Schöpfer der Mainzer Memorienpforte, war Vermittler dieses Motivs.
Auch die Kanzel bildet in ihrer Form eine Mischung aus Loggia und Altan und kennt keine direkten Vorbilder.
Lediglich in Aachen verbindet ein überdachter Altan die doppelgeschossigen Reliquienkapellen am Westturm des Münsters.
Dadurch ist offensichtlich, dass von dieser Kanzel herab den Pilgern die Valentinusreliquien vorgezeigt worden sind.

Die St. Michaelskapelle muss mit Recht wegen ihrer vielen Besonderheiten ein Kleinod der spätgotischen Architektur genannt werden.
Sie verbindet in ihrer Gestalt Klarheit der Raumform mit Vielfalt im Detail.
Die klare Gliederung ist prächtig geschmückt.
Die Dekoration konzentriert sich auf bedeutende Bauglieder und weist durch Opulenz auf ihre Bedeutung hin.
So sind das Chörlein, die Kanzel und das Innere der Ostwand reich gegliedert.
Die Formensprache der Kapelle weist enge Beziehungen zum Stil Madern Gertheners auf.
Da aber Gerthener 1430 starb, konnte er selbst nicht der planende Architekt sein.
Vielleicht war ein Riss seiner Hand für den Baumeister vor Ort ein Anhalt.
Aber dieser hat ihn nicht getreu übernommen, weil beliebte Motive Gertheners fehlen, wie Dienstkapitelle, Bogenpässe und Pflanzenornamente.
Dafür ist auch das Maßwerk der Fenster gegenüber Gerthener viel zu fortschrittlich, weil an der Michaelskapelle die Tendenz vorhanden ist, Maßwerk mittels Fischblasen zum Füllwerk umzudeuten.
Wir müssen annehmen, dass der Kiedricher Meister weit über seinen Lehrer hinausgegangen ist, trotz seiner engen Verbindung mit diesem.
Am wahrscheinlichsten ist eine Bautätigkeit des Gerthenerschülers Nikolaus Eseler des Älteren anzunehmen.
Sein Vater Peter Eseler war mit einer Kiedricherin verheiratet.
Er stand zum Zeitpunkt der Erbauung der Michaelskapelle in kurmainzischen Diensten.
Wir finden ihn 1436 in Amorbach und 1440 in Mainz.
Vor allem unter dem Eindruck der Kunst Stethaimers und Konrad Roritzers machte er einen Stilwandel durch.
Stationen seiner Entwicklung markieren, nach der Lehre bei Gerthener, der Bau der Michaelskapelle, der Entwurf für den Chorbau in Alzey und schließlich die geniale Konzeption der Georgskirche in Dinkelsbühl.
Ein kleines Detail weist auch in Kiedrich auf Dinkelsbühl hin:
Die hundeähnlichen Tiere am Chorerker tauchen später wieder auf der Sohlbank des Sakristeifensters in Dinkelsbühl auf.

Kiedrichs Kapelle beeinflusste im Laufe des 15. Jahrhunderts weitere Totenkapellen, wie St.Michael in Ochsenfurt (1440 begonnen), Wertheim (1472) und Tauberbischofsheim (1474).


In der Kapelle befindet sich ein spätgotischer siebenarmiger Kronleuchter, ein Meisterwerk der Schmiedekunst.
Der Korb umfasst eine etwa lebensgroße, hölzerne, doppelseitige Muttergottes auf einer von sieben Engelsköpfen getragenen Mondsichel.
Die Arbeit ist einem Schüler Hans Backoffens gegen 1520 zuzuschreiben.


* Kirchhof *

Auf dem von einer starken und hohen Mauer umgebenen ehemaligen Friedhof steht eine große Kreuzigungsgruppe, deren Christuskorpus 1622 gestiftet worden ist.
Die Faltengebung der Gewandung der Schächer orientiert sich an Plastiken von Adriaen de Vries, Hubert Gerhardt u.a. Die bisherige Zuschreibung an das Umfeld Hans Backoffens kann nicht mehr ernsthaft erwogen werden.
Eine spätgotische Maßwerkbrüstung, die von der ehemaligen Turmgalerie stammen soll, umgibt sie.
- Die 14 Kreuzwegstationen entlang der Mauer entstanden 1877;
im Zeichen des Kulturkampfes trägt in der 5. Station eine Figur Bismarcks Gesichtszüge.

Clemens Jöckle unter Mitarbeit von Josef Staab und Walter Bibo



* Kontakte *

Wer das Büchlein "Kiedrich im Rheingau" selbst erwerben möchte, kann das gerne über den Fachbuchhandel oder beim:
© Verlag Schnell & Steiner GmbH Regensburg
Leibnizstraße 13
D-93055 Regensburg
Telefon: (0941) 7 87 85-0
Telefax: (0941) 7 87 85-16
ISBN 3-7954-6036-0
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HIER... (PDF) GREGORIANISCHER CHORAL I. Der Germanische Choraldialekt" in Kiedrich"

HIER... Die Orgel von St.Valentin zu Kiedrich

HIER... Ihre Hochzeitskirche im mehr als 1.000 Jahre alten Kiedrich, der sog. "Insel der Gotik"


 
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