Endoprothesen werden heute nicht mehr nur an großen Gelenken eingesetzt, wie z. B. Hüfte oder Knie - heutzutage gewinnt die bewegungserhaltende operative Sanierung der Wirbelsäule zunehmend an Bedeutung.
Wo früher versteift wurde, werden heute immer häufiger Implantate eingesetzt, die die Bewegung erhalten - auch, weil insbesondere jüngere Patienten oft nicht mehr bereit sind, sich mit einem Funktionsverlust und eventuellen Spätfolgen abzufinden.
Anders als bei einem Knie- oder Hüftgelenk ist die Gelenkfunktion der Wirbelsäule jedoch sehr komplex.
Es gibt daher eine ganze Reihe von Implantaten, welche den verschiedenen Anforderungen Rechnung tragen.
So unterschiedlich wie diese Systeme in ihrer mechanischen Lösung sind, sind auch ihre Indikationen, für welche sie eingesetzt werden.
Nachfolgend zeigen wir einige der wichtigsten an der Wirbelsäule eingesetzten Implantate und erklären ihre Funktion:
Die künstliche Bandscheibe
Bereits seit Mitte der 80iger Jahre gibt es technische Lösungen, die darauf abzielen, die Bandscheibe künstlich zu ersetzen.
Die ersten Lösungen zeigten keine Erfolge.
Eine neue zweite Generation dieser künstlichen Bandscheiben oder Zwischenwirbelendoprothesen ermöglicht jedoch bereits praktikable Lösungen.
Alle basieren auf dem Grundgedanken, die Deck- und Bodenplatten der Wirbelkörper mittels Metallplatten zu verstärken und dazwischen ein Gelenk zu platzieren.
Neue, annähernd verschleißfreie und reaktionsarme Werkstoffe führen dazu, dass man diese Zwischenwirbelendoprothesen heute bei richtiger Indikation ohne Bedenken einsetzen kann.
In Frage kommt der Einsatz einer solchen "künstlichen Bandscheibe" für solche Patienten, bei denen eine stabilisierende Maßnahme notwendig ist.
Früher wäre bei diesen Patienten eine Versteifungsoperation durchgeführt worden.
Heute kann man jedoch die Bewegung erhalten, wenn bestimmte Bedingungen erfüllt sind.
Durch die Erhaltung der Beweglichkeit ist eine kinematische Mehrbelastung an den benachbarten Wirbeletagen vermindert.
Diese Non-Fusion-Technologie ist für den Patienten auch wesentlich bequemer.
So ist der operative Eingriff im Vergleich zu einer Versteifung deutlich geringer, z. B. eine dorso-ventrale Versteifung erfordert zum einen eine große Muskelwunde am Rücken, zum anderen eine zweite Wunde von der Bauchseite her.
Eine künstliche Bandscheibe kann über einen minimalinvasiven Zugang nur von vorne implantiert werden.
Des Weiteren ist der Komfort nach der Operation bei Non-Fusion-Verfahren deutlich höher:
Der Patient kann schnell normal belasten und die alltäglichen Verpflichtungen wieder aufnehmen.
Ein Korsett ist nicht notwendig und auch die Frage nach knöchernem Durchbau erübrigt sich.
Eine künstliche Bandscheibe kann man jedoch nicht immer einsetzen.
Wenn die Degeneration zu fortgeschritten ist und der Patient zu spät zu einer operativen Sanierung kommt, muss versteift werden.
Der künstliche Bandscheibenkern (PDN)
Hierbei handelt es sich um Implantate, welche anstelle des Gallertkerns nach dessen Ausräumung zwischen die körpereigenen Deck- und Bodenplatten ohne diese Verstärkung eingesetzt werden.
Diese Implantate als eine Art Gallertkernersatz bestehen aus einem hydrophilen Material, welches in ein "Kissen" eingepackt ist und sich durch Flüssigkeitsaufnahme ausdehnt.
Damit soll verhindert werden, dass das Bandscheibenfach durch die Bandscheibendegeneration weiter zusammensinkt und instabil wird.
Solche Eingriffe werden in der Regel aber nur dann durchgeführt, wenn sich die Degeneration der Bandscheibe in sehr frühem Stadium befindet.
In dieser Phase behandelt man jedoch den Patienten in aller Regel noch konservativ.
So erhalten letztlich nur sehr wenige Patienten ein solches Implantat.
Des Weiteren haben die Langzeitverläufe gezeigt, dass solche Implantate, welche zwischen die natürlichen Deck- und Bodenplatten eingesetzt werden, also Platten, die nicht durch Metall verstärkt wurden, gerne einsinken.
Die Revisionseingriffe sind daher häufig.
Interspinalimplantate (X-stop, Coflex, Wallis)
Die Interspinalimplantate werden nicht von vorne, sondern von hinten zwischen die Dornfortsätze der Wirbel eingesetzt.
Ihre Aufgabe ist es, die Bewegung nach vorne und hinten an dem jeweiligen Segment zu beschränken.
Auf andere Bewegungen haben diese Implantate keinen Einfluss.
Ältere Patienten, die an einer mit einer Instabilität einhergehenden Wirbelkanalverengung leiden, können von einem solchen Implantat profitieren:
Zunächst nimmt man nur eine minimalinvasive Druckentlastung des Wirbelkanals vor und verzichtet auf eine Versteifungsoperation;
stattdessen wird zum Schluss des Eingriffs ein Interspinalimplantat zwischen die Dornfortsätze eingesetzt.
Dies führt zu einer Linderung der Rückenschmerzen, die Schaufensterkrankheit wird behoben durch die Druckentlastung des Wirbelkanals.
Der Vorteil dieser Implantate liegt aber hauptsächlich in dem vergleichsweise kleinen Eingriff.
Wirbelsäulenimplantate bei failed back surgery?
Gefürchtet bei Ärzten und Patienten ist die so genannte "failed back surgery", zu Deutsch etwa "misslungene Rückenoperation".
Mit diesem Begriff wird die Situation umschrieben, wenn bereits kurz nach dem Eingriff die Schmerzen - manchmal stärker als zuvor - zurückkehren.
Verantwortlich dafür kann zum einen überschießendes Narbengewebe sein, welches den Nerv von neuem bedrängt, zum anderen aber auch eine durch den Eingriff bedingte Instabilität.
Für solche Patienten kann eine Bandscheibenprothese die Alternative zur früher durchgeführten Versteifungsoperation sein.
Ob der Einsatz der neuen Implantate aber jemals zu den Standardeingriffen gezählt werden wird, werden wohl erst die nächsten Jahrzehnte zeigen.
Für jeden das richtige Implantat
Die Vielzahl der Implantate und auch der neu entwickelten Operationszugänge zeigt also, dass eine individuelle, der jeweiligen Lebens- und Krankheitssituation angepasste Behandlung heute keine Zukunftsmusik mehr ist.
Wo früher mit einer Standardoperation versucht wurde, den verschiedensten Schmerzzuständen beizukommen, ermöglicht heute eine differenzierte Diagnostik und Behandlung vielen Menschen, beweglich und schmerzfrei zu bleiben.
Gravierende Einzelschicksale (z. T. mit Berufsunfähigkeit und hohem Schmerzmittelkonsum) können so wirksam verhindert werden.
Ob allerdings in der Breite eine Verbesserung der Behandlungssituation erreicht werden kann, werden vermutlich erst die beiden nächsten Jahrzehnte zeigen können.