Krankengymnastik hilft, körperliche Defizite, die Krankheiten oder Schmerzen hervorrufen, auszugleichen.
Zu den klassischen Einsatzgebieten gehören Rückenbeschwerden.
Verantwortlich dafür sind in vielen Fällen zu schwach entwickelte Rückenmuskeln, die die Wirbelsäule nicht ausreichend entlasten, sowie ein Ungleichgewicht in der Muskulatur, die sogenannten muskulären Dysbalancen.
Hier kommt es darauf an, die betroffenen Muskeln durch gezielte Übungen zu kräftigen.
Auf diese Weise lassen sich zugleich falsche Haltungs- und Bewegungsmuster korrigieren, die sich im Laufe der Zeit eingeschlichen haben.
Ein weiteres wichtiges Anwendungsgebiet der Krankengymnastik ist die Rehabilitation nach verletzungsbedingten Erkrankungen oder nach chirurgischen Eingriffen wie z. B. Gelenkoperationen.
Aufgabe des Krankengymnasten ist es dabei, den Patienten Schritt für Schritt bei seiner Genesung zu begleiten.
Das kann z. B. damit beginnen, dass er ihn in das Gehen mit Unterarmstützen einweist, setzt sich dann möglicherweise in einem gezielten Aufbautraining fort und schließt in der Regel mit einer Einübung in die Verrichtungen des Alltags.
Krankengymnastik wird aber nicht nur bei Beeinträchtigungen des Bewegungssystems angewendet, sondern auch bei Funktionsstörungen der inneren Organe wie z. B. Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Lungen- und Bronchialerkrankungen.
Eine weitere Indikation sind neurologische und psychiatrische Störungen, welche die Bewegungsentwicklung und -steuerung behindern, wie z. B. Lähmungen.
Auch "gesunde Patienten" können profitieren
Im Unterschied zu Krankengymnastik im engeren Sinne versteht man unter Bewegungstherapie eine therapeutische Methode, die sich nicht nur an Menschen richtet, die an einer bestimmten, genau definierten Erkrankung leiden, sondern auch an "gesunde Patienten".
Ganz allgemein zielt sie auf die Verringerung funktioneller Störungen in den Bereichen Beweglichkeit, Kraft, Ausdauer, Stoffwechsel und Durchblutung.
Sie
verbessert die Funktion von Gelenken
aktiviert und kräftigt die Muskulatur
stellt das Gleichgewicht der Muskeln wieder her
schult die Koordination von Bewegungsabläufen
fördert die Durchblutung und Entstauung
regt Herz-Kreislauf-System, Atmung und Stoffwechsel an.
Bei starken Schmerzen empfiehlt
sich passive Gymnastik
Therapeutische Gymnastik besteht sowohl aus passiven als auch aktiven Elementen.
Zu Beginn eines Behandlungsprozesses, etwa wenn der Patient durch Schmerzen behindert oder noch bettlägerig ist, stehen häufig passive Maßnahmen im Vordergrund.
Dabei bewegt der Therapeut den Körper des Patienten entweder regelrecht "durch" oder er unterstützt seine Bewegungen, indem er das Eigengewicht des behandelten Körperteils verringert.
In diesen Zusammenhang gehört auch der sogenannte Schlingentisch, bei dem entweder der ganze Körper oder einzelne Körperteile in Schlingen gehängt werden.
Dadurch wird die Schwerkraft aufgehoben, so dass Wirbelsäule und Gelenke entlastet und Bewegungen erleichtert werden.
Haltungsturnen zielt auf Muskelstärkung
Wenn im Laufe des Heilungsprozesses die akuten Schmerzen abklingen, wird man den Schwerpunkt auf die aktive Krankengymnastik legen.
Dabei unterscheidet man zwischen funktioneller Gymnastik und Bewegungsturnen.
Während bei der funktionellen Gymnastik aktiv die Beweglichkeit von Muskeln und Gelenken gefördert werden soll, kommt es beim Haltungsturnen darauf an, die geschwächte Muskulatur durch gezielte Übungen zu stärken.
Diesem Ziel dienen auch die sogenannten Rückenschulen.
Sie unterweisen ihre Teilnehmer darin, Rückenschmerzen zu vermindern oder vorzubeugen, indem die Rückenmuskulatur gestärkt und die Wirbelsäule entlastet wird.
Darüber hinaus lernt man, seine Kraft im Alltag so einzusetzen, dass Rückenprobleme möglichst gar nicht erst auftreten.
Welche Aufgaben hat ein Physiotherapeut?
Im Rahmen einer Änderung des deutschen Berufsrechts wurde die Bezeichnung Krankengymnast 1994 durch den Begriff Physiotherapeut ersetzt.
Damit passte man sich dem international gängigen Sprachgebrauch an.
Die Ausbildung zum Physiotherapeuten wird seitdem durch das Masseur- und Physiotherapeutengesetz (MphG) geregelt.
Die Tätigkeit des Physiotherapeuten umfasst neben den Bewegungsübungen im engeren Sinne verschiedene Formen von Massage- und Mobilisationstechniken wie z. B. die Manuelle Therapie sowie die Behandlung mit physikalischen Methoden wie z. B. Wärme-, Gleichstrom-, UV-Licht- und Wasseranwendungen.
Der deutsche Begriff "Physikalische Therapie" ist übrigens nicht mit der englischen Bezeichnung "physical therapy" zu verwechseln, die für Physiotherapie im Allgemeinen steht.
Über die reine Therapie hinaus gehört es auch zu den Aufgaben des Physiotherapeuten, den Patienten zu beraten und zu schulen, etwa im Gebrauch von Hilfsmitteln wie z. B. Prothesen.
Gerätegestützte
Krankengymnastik bietet sich oft nach Unfällen an Nach Unfällen oder operativen Eingriffen, aber auch bei chronischen Erkrankungen bietet sich häufig ein Funktionstraining an medizinischen Trainingsgeräten an.
Durch die gerätegestützte Krankengymnastik, die unter Anleitung und Kontrolle eines Therapeuten durchgeführt wird, werden muskuläre und koordinative Schwächen sowie Beeinträchtigungen der Gelenkbeweglichkeit ausgeglichen.
Darüber hinaus lässt sich auch die Funktion des Herz-Kreislauf-Systems verbessern.
Bobath-Konzept zielt auf
Kontrolle der Muskelspannung
Auch Menschen, die unter neurologischen Störungen leiden, können von Krankengymnastik profitieren.
Eine Behandlungsmethode, die für Patienten mit zentral bedingten Lähmungen wie Hemiplegie (Halbseitenlähmung) entwickelt wurde, ist das sogenannte Bobath-Konzept.
Ziel ist es, einen Lernprozess in Gang zu setzen, mit dessen Hilfe die Kontrolle über die Muskelspannung und die Bewegungsfunktionen wiedererlangt wird.
Dabei geht es vor allem darum, die Spastik zu hemmen oder zu vermeiden, indem ein normaler Muskeltonus wiederhergestellt wird, und eine normale, beidseitige Bewegung zu ermöglichen.
Eine Methode, die bei neurologischen und orthopädischen Funktionsstörungen eingesetzt wird, ist die Propriozeptive Neuromuskuläre Faszilitation (PNF).
Dabei führen die Patienten im Sitzen, Stehen oder Liegen bestimmte, hauptsächlich diagonale Bewegungsmuster aus.
Unterstützt und gefördert werden diese Bewegungsabläufe dadurch, dass der Therapeut die propriozeptiven Sinnesorgane auf Muskeln, Sehnen oder Haut stimuliert.
Auf diese Weise wird das Zusammenspiel von Muskulatur und Nerven neu gebahnt und wieder normalisiert.
Wann ist von Krankengymnastik abzuraten?
Unliebsame Nebenwirkungen treten im Allgemeinen höchstens dann auf, wenn der Patient seine Kräfte über die Grenzen seiner Belastbarkeit hinaus beansprucht.
Manchmal kann es auch zu einer sogenannten Erstverschlimmerung kommen.
Der Patient spürt dann nach den ersten Anwendungen keine Besserung, sondern eine Verschlimmerung seiner Beschwerden.
Diese Symptome klingen aber in der Regel nach einiger Zeit wieder ab und sollten kein Grund sein, die Therapie abzubrechen.
Um Risiken zu verringern, empfiehlt es sich, die Auswirkungen der Belastung durch die Kontrolle von Herzfrequenz, eingesetzten Gewichten und Anzahl der Wiederholungen zu überprüfen.
Grundsätzlich abzuraten von Krankengymnastik ist:
wenn starke Schmerzen bei der Bewegung auftreten
bei Krankheiten oder Verletzungen, die eine Ruhigstellung erforderlich machen, z. B. nach einem frischen Knochenbruch
wenn der Patient unter einem fieberhaften Infekt leidet
bei der akuten Kompression eines Nervs infolge Druckschädigung.
Bewegung fördert Geist und Wohlbefinden
Dass Bewegungstherapie nicht nur die motorischen Leistungen und die Koordinationsfähigkeit verbessern kann, sondern auch die Denkleistung und das Wohlbefinden fördert, zeigt eine Studie, die im Jahre 2006 mit Demenzkranken durchgeführt wurde.
Für die Patienten wurde ein spezielles Trainingsprogramm entwickelt, das die krankheitsbedingten Einschränkungen und verbliebenen Fähigkeiten berücksichtigt.
Die Teilnehmer wurden dadurch nicht nur beweglicher, sondern hatten anschließend auch ein geringeres Sturzrisiko.
Untersuchungen dieser Art bestätigen eindrucksvoll, dass menschliche Bewegung als integraler Bestandteil menschlichen Wahrnehmens, Denkens, Fühlens und Handelns verstanden werden muss.
In den nächsten Ausgaben werden Therapiemethoden vorgestellt, die ihr Schwergewicht gezielt auf diesen Zusammenhang legen.
Quelle:
Fachzeitschrift Orthopress
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