Krafttraining wird auch heute noch oft mit bloßem "Bodybuilding" gleichgesetzt und nach dem Motto "viel Kraft, nichts im Kopf" leicht belächelt, ohne dass die meisten tatsächlich wüssten, wozu diese "Kraft" - außer zu männlicherm Imponiergehabe -eigentlich gut ist. Dabei schützt die gesundheitsorientierte Variante des Muskelaufbaus an Geräten vor zahlreichen Schäden am Bewegungsapparat, ja kann, wie neuere Studien belegen, sogar chronische Rücken- oder Nackenschmerzen lindern bzw. beheben -mit dem positiven Nebeneffekt einer besseren Körpersilhouette.
Die kraftlose Gesellschaft
Aktuelle Zahlen hinsichtlich der Aufwendungen der
Krankenkassen für Erwerbsunfähigkeit zeigen, dass Schädigungen am Bewegungsapparat den größten Anteil am allgemeinen Kostendruck ausmachen. Mit 26,2% liegen Erkrankungen an Gelenken und Wirbelsäule auch noch deutlich vor den viel beschworenen Herz-Kreislauf-Erkrankungen (20,8%); Unfälle schlagen demgegenüber hier übrigens nur mit 15,4% zu Buche.
Dazu umgekehrt stellt sich das "Präventivverhalten" der Gesamtbevölkerung dar. Unangefochtener Spitzenreiter des bereits seit zwei Jahrzehnten anhaltenden Fitness-Booms sind
nach wie vor die Ausdauersportarten Joggen, Fahrradfahren, Schwimmen, zunehmend ergänzt durch trendige Formen von Gymnastik und Aerobic-Spielarten. Bei diesen Formen des aeroben Trainings, welche das Herz-Kreislauf-System positiv beeinflussen,
wird allerdings nur ein Aspekt der körperlichen Fitness berührt, die sich insgesamt aus den drei Komponenten Ausdauer, Beweglichkeit und Kraft zusammensetzt.
Die Bedeutung des Krafttrainings für unsere Gesundheit ist dabei den wenigsten bewusst. Und so ist man angesichts der großen Zahl an Ausdauersport Treibenden versucht, das Bild von der
bewegungsarmen Gesellschaft als solches zu revidieren.
Die Gesellschaft leidet nicht am Bewegungsmangel an sich, sondern an einer mangelhaften spezifischen körperlichen Belastung - letztlich an Kraftlosigkeit.
Kraft gegen Schmerzen
Tatsächlich liegen - anders als zur Kategorie "Ausdauer"
- wissenschaftliche Erkenntnisse zur Bedeutung der Kraft auch erst seit einigen Jahren in größerem Umfang vor. Und die Erkenntnis, dass Krafttraining im unmittelbaren Zusammenhang mit Erkrankungen am Bewegungsapparat steht bzw. einen direkten Einfluss auf chronische Wirbelsäulenleiden nimmt, datiert ebenfalls aus jüngerer Zeit.
Fast jeder von uns klagt früher oder später über Rückenschmerzen, Nackenverspannungen, Knie- oder Hüftbeschwerden. Bereits ab dem 25. Lebensjahr baut unser Körper wieder ab, mit 35 machen sich bei vielen die ersten Verschleißerscheinungen bemerkbar. Doch während man sich noch vor einiger Zeit mit dem evolutionären "Kreuz" und seinem notwendigen Martyrium abfand, chronische Rückenschmerzen sozusagen schicksalhaft als zivilisatorischen Fluch
der zweibeinigen Menschheit hinnahm, weiß man heute, dass die Wirbelsäule zwar als solche tatsächlich fehlkonstruiert ist für den aufrechten Gang, dass dies aber keineswegs von unverfügbaren Bedingungen abhängt.
Grundlage der neuen Wissenschaft von der "Kraft" waren Forschungsarbeiten in den Achtzigerjahren an der Universität von Gainesville (Florida). Dadurch wares möglich geworden, die Kraft und Ausdauer der sog. Lumbalextensoren, der tief liegenden Rückenstreckmuskeln, isoliert zu messen, die für die Stabilität der Wirbelsäule zuständig sind. Zuvor war es mittels Röntgen und selbst modernster bildgebender Verfahren nicht möglich, die
Kraft von Rückenmuskeln zu objektivieren. Der japanische Arzt Manohar Panjabi nun fand in einem Experiment heraus, dass sich die
Wirbelsäule ohne Muskulatur bereits ab einer Belastung von zwei Kilogramm verforme und instabil werde.
So viel zum ersten Teil der Annahme und zur Erklärung der Ursache der Volkskrankheit Nummer Eins. Durch eine wissenschaftliche US-amerikanische Großstudie konnte zudem gezeigt werden, dass
Rückenschmerzen durch Muskelschwäche bedingt sind bzw. dass es mit zunehmendem Kraftgewinn zur Reduktion der Schmerzen kommt.
Mit dieser Erkenntnis steht der modernen (orthopädischen) Schmerztherapie ein ebenso einfacher wie genialer Ursache-Wirkungs-Mechanismus zur Verfügung: Kraft wirkt gegen Schmerzen. Die tatsächliche Wirksamkeit wurde bereits mittels der sog. Nelson-Studie"bekräftigt": Ihr zufolge waren 80% der chronischen Rückenpatienten nach einer speziellen medizinischen
Käftigungstherapie schmerzfrei. Die jüngsten Erkenntnisse mögen die Krankenkassen in Zukunft veranlassen, hinsichtlich ihres
Kataloges an Präventions- und Rehabilitationsmaßnahmen umzudenken. Bis dahin sind die potenziellen Patienten aufgerufen, selbst aktiv zu werden, um den altersbedingten Muskelschwund aufzuhalten. Dazu bedarf es allerdings nicht irgendeines, am Fetisch Bizeps orientierten, sonden eines
spezifischen Krafttrainings, bei dem gezielt, d.h. isoliert und unter funktioneller Ausschaltung der Gesäß- und Beinmuskulatur, die Lumbalmuskulatur trainiert wird.
Diese nämlich stützt und entlastet - wie gesagt - Wirbelsäule und Bandscheiben und verleiht dem Skelettsystem dadurch sozusagen ein festes Korsett aus Muskeln.
Dabei hat die Muskulatur selbst nicht nur eine "tragende Rolle"; durch regelmäßige Trainingsimpulse wird auch die Knochenstruktur als solche gefestigt. So kann das Krafttraining auch beim sog. Knochenschwund, von dem vor allem Frauen nach der Menopause betroffen sind, seine positive Wirkung tun, denn dadurch wird auch auf die Knochen ein Reiz ausgeübt. Diese unterliegen - wie alle anderen Körperzellen auch - einem regen Stoffwechsel, verbunden mit
Auf- und Abbau der Materie.
Zudem werden beim Krafttraining die Abwehrkräfte im Körper überhaupt gestärkt und auch allgemeine Abbauvorgange im Alter, nicht nur solche der Muskeln und des Bewegungsapparates,
gestoppt bzw. verlangsamt. Die höhere Dichte von trainierten Muskeln bietet darüber hinaus einen Schutz gegen Verletzungen.
Allerdings: Ohne Schweiß kein Preis.
Kräftige Muskeln gibt's nur durch die Arbeit gegen einen realen Widerstand (Geräte, kleine Handgewichte, Gummibänder, Schwerkraft)- hat man erst einmal den inneren Widerstand überwunden.
Speziell konzipierte Geräte im Fitness- oder Reha-Center haben den Vorteil, dass die Haltung sowie der Bewegungsablauf klar vorgegeben sind. Sie bergen deshalb ein geringeres Verletzungsrisiko, schonen die Gelenke, bieten große Variations- und Isolationsmöglichkeiten. Generell lässt sich mit Trainingsgeräten der Widerstand dosieren. Die Muskelfasern reagieren nur dann mit Kraftzuwachs, wenn sie bis zur momentanen Ermüdung belastet werden. Je mehr Widerstand da ist, desto mehr Fasern müssen an die Arbeit und werden somit aufgebaut.
Bei geringem Widerstand liegt ein Großteil der vorhandenen Fasern einfach brach. Ohne Gerät müssen also, will man den gleichen Effekt erzielen, wesentlich mehr Wiederholungen durchgeführt werden als mit Gerät.
Fitness-Studios bieten oft neben dem Training an Geräten eine wahre Erlebniswelt mit zahlreichen Aerobic- oder Tanzkursen, Sauna und Solarium. Es gibt inzwischen aber auch schon Trainingszentren, in denen nur der medizinische Muskelaufbau
im Fokus steht. Genau das Richtige für Menschen, die aus gesundheitlichen Gründen stark werden wollen und lieber
im Wald laufen gehen als auf dem Laufband. Einen individuellen Trainingsplan lässt man sich am besten von einem Fachmann zusammenstellen.
Im Rahmen einer medizinischen Kräftigungstherapie wird die Muskulatur zunächst an den isolierten Reiz gewöhnt, d.h. vor allem die Kraftausdauer trainiert. Eine individuelle Kraftkurve gibt Aufschluss über Schwachpunkte, über Ermüdungs- und Erholungsfähigkeit der Muskelfasern und über den Therapieerfolg. Zunehmend stehen dann die Kräftigung der Lumbalextensoren und die Verbesserung ihrer Beweglichkeit im Vordergrund der Trainingseinheiten.
Auch werden hier die sog. sekundären Wirbelsäulenstabilisatoren, d.h. die Bauchmuskulatur, Schultergürtelmulskulatur, die breite oberflächliche Rückenmuskulatur sowie die Gesäßmuskeln trainiert, ohne dass dadurch das isolierte Training der Lumbalextensoren selbst beeinträchtigt würde. Fettabbau erfolgt übrigens nicht durch das lokale Muskeltraining - etwa der Bauchmuskeln. Fettdepots werden prinzipiell durch eine negative Kalorienbilanz abgebaut, die sich aus dem Krafttraining als solchem ergibt.
Auch für Menschen, für die ihr "Body-work-out" vielleicht nicht mehr gleiche Bedeutung wie in jüngeren Jahren hat, ist Krafttraining um der Rückengesundheit und Schmerzfreiheit willen von großer Bedeutung. Selbst fürs Anfangen ist es hier eigentlich nie zu spät. Im Gegenteil: Je älter
der Mensch wird, umso wichtiger ist ein dosiertes Krafttraining !.
Und Untersuchungen haben ergeben, dass selbst bei über 80-jährigen noch ein erheblicher Kraftgewinn möglich ist, der die Gesamtkonstitution stärkt und zu einer allgemeinen Steigerung
der Leistungsfähigkeit beiträgt !!
Achtung bei Bluthochdruck
Beim Krafttraining kann der Blutdruck erheblich steigen ! Gut für alle, die an niedrigem Blutdruck leiden. Vorsichtig sollten jedoch Menschen mit hohem
Blutdruck oder Herz- Kreislauf-Schäden sein.
Sie müssen dem Trainer ihr Leiden mitteilen, der die Belastung dann exakt dosiert. Unter diesen Umständen profitieren auch Hochdruckpatienten vom Muskelaufbau. Mit mehr Kraft können sie Alltagsbeschwerden, wie z.B. bei mäßigem Blutdruckanstieg das Heben von Wasserkästen, besser bewältigen.
|