Interview mit Gott
Matthias Claudius An einem Mai-Morgen
Kommt, Kinder, wischt die Augen aus,
es gibt hier was zu sehen;
und ruft den Vater auch heraus...
Die Sonne will aufgehen!
Wie ist sie doch in ihrem Lauf
so unverzagt und munter!
Geht alle Morgen richtig auf
und alle Abend unter!
Geht immer und scheint weit und breit
in Schweden und in Schwaben,
dann kalt, dann warm, zu seiner Zeit,
wie wir es nötig haben.
Von ohngefähr kann das nicht sein,
das könnt Ihr wohl gedenken;
der Wagen da geht nicht allein,
ihr müßt ihn ziehn und lenken.
So hat die Sonne nicht Verstand,
weiß nicht, was sich gebühret;
drum muß wer sein, der an der Hand
als wie ein Lamm sie führet.
Und der hat Gutes nur im Sinn,
das kann man bald verstehen:
er schüttet seine Wohltat hin
und lässet sich nicht sehen;
Und hilft und segnet für und für,
gibt jedem seine Freude,
gibt uns den Garten vor der Tür und
unsrer Kuh die Weide;
Und hält euch Morgenbrot bereit und
läßt Euch Blumen pflücken und stehet,
wenn und wo ihr seid,
euch heimlich hinterm Rücken,
Sieht alles, was Ihr tut und denkt,
hält Euch in seiner Pflege,
weiß, was Euch freut und was Euch kränkt,
und liebt Euch alle Wege.
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